Zum Stück

Notburga – die Feierabendheilige

Es gibt Leute, die sind so arm, die haben nur Geld

Am Rattenberger Schlossberg wohnt seit langer Zeit ein alter, kaputter Engel mit dreckigem Gewand und einem gebrochenen Flügel. Er ist das Überbleibsel einer anderen Zeit, in der die Menschen statt Satelliten noch Engel sahen, wenn sie in den Himmel schauten. Müde geworden und – zugegeben – auch etwas missmutig erzählt er die Geschichte von der Heiligen Notburga, einer Dienstmagd, die ihre Sichel in den letzten Sonnenstrahl hängte und damit dem Feierabend Respekt verschafft hat. Die Geschichte eines Findelkindes, das Hutmacherleute aus Rattenberg aufgelesen und die Grafen von Tirol in jungen Jahren zur Beschließerin auf der Rottenburg gemacht haben. In der Gewissheit, dass Gott seine Hand über sie hält und Großes mit ihr vorhat, wird die unverheiratete Notburga zur Nährmutter der Bettler vor dem Tor der Rottenburg, die sie nach gut christlicher Tugend mit den Resten der gräflichen Tafel speist – bis Ottilie auftaucht, die neue Herrin der Rottenburg und Gemahlin Heinrichs des Zweiten. Notburgas Tun wird unter ihr plötzlich zur Verschwendung gräflichen Gutes, der Kapitalismus überwuchert unter Meinhard von Tirol das Land – und Notburga wird wegen Ungehorsam der Rottenburg verwiesen, vor dessen Toren sie sich plötzlich wiederfindet – mit nichts in der Hand und mit einem leeren Himmel über ihr. 

Alles ist weg, das Unterste kehrt sich nach oben. Der Allerhöchste hat – wenn es ihn denn gibt – seine Hand von ihr genommen. Sie muss irgendwie weiterleben – und verdingt sich beim Spiessenbauern in Eben am Achensee als Dienstmagd. Doch bei ihr ist ein Engel, der ihr Geschick lenkt – auch ihren tiefen Fall von der Schaffnerin zur Dienstmagd. Denn wir kommen nicht in den Himmel, weil wir in den Himmel kommen wollen.

Nun hat „Notburga“ als Uraufführung ihre Heimat wieder in Rattenberg bei den Schlossbergspielen gefunden: Eine Legende, ein mittelalterliches Stück, das seine Zuschauer in die Sphäre der Urbilder entführt, in der die Dämonen von Geiz, Neid und Habgier sichtbar werden, in denen das Heilige ein Mädchen ist, das glaubt, aus dem göttlichen Plan gefallen zu sein – und doch nicht näher dran sein könnte, als plötzlich die Sichel am letzten Sonnenstrahl hängenbleibt. Denn wir finden das Heil nicht aber das Heil findet uns. 

 

Ich bin stolz und dankbar und fühle mich geehrt über die Verwirklichung meines ersten Theaterstückes bei den Rattenberger Schlossbergspielen. 

 

Barbara Aschenwald

NOTBURGA

von Barbara Aschenwald